Annäherung an die „Blase” der Fed, die Energiewende und die sogenannte Krypto-Disruption
09 September 2021
Videolänge 8:54
Jenna Dagenhart: Der Vorstandsvorsitzende von VanEck, Jan van Eck, wird uns nun seinen vierteljährlichen Ausblick auf Inflation, Märkte, Geldpolitik und mehr geben. Jan, schön, dass Sie wieder bei uns sind. Beginnen wir mit dem steigenden Preisniveau, das derzeit eher durch Probleme in der Lieferkette als nachfragebedingt verursacht zu werden scheint. Glauben Sie, dass die Inflation nur vorübergehend sein wird, wie es die Fed (Federal Reserve) angedeutet hat? Und was denken Sie über den Lohndruck angesichts der Situation des Arbeitsmarktes, der uns immer wieder überrascht?
Jan van Eck: Jenna, schön, Sie zu sehen. Erinnern wir uns noch einmal kurz an den Jahresanfang, als wir die Wirtschaft als ein Auto sahen, das mit China und den USA mit 200 Meilen pro Stunde vorwärts raste, die USA mit einer Menge von Anreizen. Das Risiko bestand dabei im Folgenden: Würde das Auto auf 70 Meilen pro Stunde verlangsamt werden können, ohne die Zinssätze zu sehr unter Druck zu setzen oder irgendetwas zu verursachen, das die Finanzmärkte durcheinander bringen würde? Bei uns bedeutet das: Was sind die Risiken für die sogenannte „Goldilocks"-Situation des Marktes? Die große Frage dabei ist die Inflation. Ich denke, wir wissen es jetzt noch nicht, was ein wenig unbefriedigend erscheint. Aber wenn man das Bild vom Halbzeitstand heranziehen will, dann sieht es im Moment ein wenig besorgniserregend aus.
Jan van Eck: Dabei stellt sich immer die große Frage, was die Fed tut. Lassen Sie mich das näher erläutern. Was uns in Bezug auf die Inflation mehr Sorgen bereitet, ist die Lohninflation, nicht die Holz- oder Erdgaspreise, obwohl diese natürlich in gewissem Maße auch eine Rolle spielen. Aber die Lohninflation ist tendenziell hartnäckiger. Langfristig kann sie die langfristigen Zinssätze, die 10-Jahres-Zinssätze, stark beeinflussen. Wenn die Zinssätze steigen, ist das natürlich sowohl für Aktien als auch für Anleihen schlecht. Ich würde sagen, dass die Inflationsseite des Arguments bis jetzt gewinnt, denn wie Sie sagten, ob es nun um Probleme in der Lieferkette oder auf dem Arbeitsmarkt geht, wir reden immer noch über diese Dinge, und zwar viel länger, als es denjenigen lieb ist, welche die Inflation für ein vorübergehendes Phänomen halten. Ich glaube nicht, dass wir das vor dem nächsten Sommer mit Sicherheit wissen werden, aber es ist etwas, das man im Auge behalten sollte. Das größte Risiko für „Goldilocks" sind, wie wir bereits vor drei Monaten erwähnt haben, höhere Zinssätze bis zum Ende des Sommers.
Jan van Eck: Das Problem ist, dass es für uns wirklich schwierig ist, das alles zu verstehen, weil die Fed diese Blase verursacht hat. Zugleich hat dies den größten Effekt sowohl auf den Aktien- als auch auf den Anleihemärkten. Nur ein Beispiel: Die Fed hat im vergangenen Jahr mehr TIPS (Treasury Inflation-Protected Securities) gekauft, als tatsächlich ausgegeben wurden. Wie hoch sind also die 10-jährigen Zinssätze wirklich? Das werden wir erst wissen, wenn die Fed mit dem Tapering beginnt. Das ist das große Risiko für die Portfolios, sowohl für die Aktien- als auch für die Anleihenportfolios. Ich sage gerne: Ich wünschte, ich könnte Ihnen eine Prognose für einen oder drei Monate geben, aber ich weiß wirklich nicht, ob wir die Antwort erst in einem Jahr wissen werden.
Jenna Dagenhart: Das macht Sinn. Und was ist mit der sogenannten „Greenflation"?
Jan van Eck: Das ist eine weitere dieser Überraschungen, die sich auf die Rohstoffpreise ausgewirkt haben. Der Globus wächst. Unsere Weltwirtschaft wächst. Da die Nachfrage nach Rohstoffen steigt, ist es aufgrund der ESG-Politik schwierig, das Angebot zu erhöhen. Dies bedeutet, dass es diesen mehrjährigen Trend hin zu Preisdruck gibt. Einer meiner Kollegen nannte es schlauerweise, wie Sie sagten, „Greenflation". Es ist schwer, eine neue Kupfermine, eine Lithiummine, eine Goldmine oder andere Orte zu finden, an denen diese Tätigkeit ausgeübt werden kann, da sie zu einem gewissen Grad umweltschädlich ist. Das wird die Rohstoffpreise stützen und ist der Grund, warum ich denke, dass rohstoffbezogene Aktien eine interessante Anlage sind und man sie im Portfolio haben sollte.
Jenna Dagenhart: Sie sind nicht der Einzige, der die Inflation genau im Auge behält. Natürlich ist dies auch für die Fed von entscheidender Bedeutung, wenn sie abwägt, wann sie mit dem Tapering beginnt. Wie beobachten Sie die Geldpolitik und die Zinssätze?
Jan van Eck: Das ist wirklich ein schwieriges Unterfangen. Ich denke, es ist wieder so, dass die Fed diese Blase erzeugt hat. Die Bank of America hat eine großartige Studie veröffentlicht, über die wir gerade sprachen, und die besagt, dass ein Großteil der Performance des S&P [500] auf die Bilanzausweitung der Fed zurückzuführen ist. Das ist wirklich erstaunlich im Laufe der letzten 10 Jahre.
Jenna Dagenhart: Und nicht, wie sonst üblich, die Erträge.
Jan van Eck: Das stimmt. Das stimmt. Ja. Dann besteht natürlich das Risiko, dass ein schlimmer Schock eintritt, wie im März und April des letzten Jahres, aber dann pumpt die Fed einfach mehr Luft in die Blase. Das ist der Grund, warum die Märkte heutzutage auf der Basis des Kurs/Umsatz-Verhältnisses und des Kurs/Gewinn-Verhältnisses so unglaublich überbewertet sind. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Wette auf die Fed. Ich persönlich denke, es ist nicht schlecht, etwas Geld auf der Seite zu haben und zu warten, bis die Preise ein wenig niedriger werden.
Jenna Dagenhart: In diesem Zusammenhang scheint es, dass Einhörner gar nicht mehr so selten sind. Auch bei den sogenannten Zombie-Aktien gibt es ein Wiedererwachen. Müssen die Anleger befürchten, dass die Bewertungen zu weit gegangen sind?
Jan van Eck: Die 0%-Zinssätze der Fed haben zu einer Überbewertung sowohl auf den privaten als auch auf den öffentlichen Märkten geführt. Es ist toll, dass es wieder Börsengänge gibt. Aber Tatsache ist, dass sie zu einem sehr hohen Kurs-/Umsatz-Verhältnis auf den Markt kommen. Private Unternehmen werden zum 20-fachen Kurs/Umsatz-Verhältnis gehandelt. Sie wachsen extrem schnell. Aber das ist wie eine Marktbewertung. Wenn sie dann endlich an die Börse gehen - mein Beispiel ist Uber -, gehen sie an die Börse und sind großartige Unternehmen, aber die Aktien verhalten sich wie Zombie-Aktien. Sie sind von der Rentabilität und dem Umsatzwachstum des zugrunde liegenden Unternehmens abgekoppelt. Ich denke, die Anleger müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie in der Lage sein müssen, mehrere Jahre zu überstehen, in denen das reale Geschäft die Zombie-Aktie erst einholt.
Jenna Dagenhart: Angesichts der historisch niedrigen Renditen und der rekordverdächtigen Bewertungen suchen viele Anleger einfach nur nach einer Möglichkeit, ihr Geld zu parken. Es scheint, dass immer mehr Anleger in alternative Anlagen investieren. Wo finden Sie im Moment Chancen?
Jan van Eck: Nun, jeder ist auf der Suche nach Rendite. Zwei der Themen, auf die wir uns konzentrieren, sind meiner Meinung nach mehrjährige Trends. Einer davon ist die Energiewende, die im Wesentlichen die Abkehr von fossilen Brennstoffen bedeutet. Dies wird durch eine Vielzahl von Innovationen im privaten Sektor vorangetrieben. Es geht nicht nur um den Green New Deal und die Regierungspolitik, welche die Menschen meiner Meinung nach oft aus den Augen verlieren. In unseren Rohstoffportfolios finden wir nicht nur viel Werthaltigkeit in den bereits erwähnten Rohstoffaktien, sondern suchen auch nach innovativen, bahnbrechenden Unternehmen in den verschiedenen Sektoren, die energieeffizienter werden müssen. Wir konzentrieren uns dabei auf die Landwirtschaft, die etwa so viel CO2 ausstößt wie der Energiesektor. Das also ist ein Trend.
Jan van Eck: Ein weiteres überzeugendes Investitionsthema ist Blockchain, Krypto oder wie auch immer Sie es nennen wollen, und die Tatsache, dass diese Open-Source-Datenbanktechnologie wirklich viele Finanzlösungen zu viel günstigeren Preisen, manchmal 90% günstiger, bei der Übertragung anbieten kann. Diese Fintech-Revolution, die mit der Kryptowährung einhergeht, finden wir wirklich spannend. Auch hier gibt es einige überbewertete Unternehmen, aber wir sind der Meinung, dass es sich um einen wirklich interessanten mehrjährigen Trend handelt, mit dem sich Anleger beschäftigen sollten.
Jenna Dagenhart: Es dürfte ein interessantes Quartal werden, Jan. Danke, dass Sie bei uns waren.
Jan van Eck: Schön, Sie wiederzusehen.
Jenna Dagenhart: Vielen Dank fürs Zuschauen. Das war der CEO Jan van Eck. Und ich bin Jenna Dagenhart von Asset TV. Um regelmäßig Einblicke der Experten von VanEck zu erhalten, können Sie uns unter vaneck.com/ucits/subscribe abonnieren.
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