Was Anleger erwarten können, wenn das starke globale Wachstum anhält
27 November 2020
Videolänge 6:51
Jenna Dagenhart: Jan van Eck, CEO von VanEck, kommt zu uns, um uns seinen Ausblick auf das Jahr 2021 mitzuteilen. Herr van Eck, trotz der Coronavirus-Pandemie, die Teile der Welt im Lockdown hält, geht es Rohstoffen recht gut, und das globale Wachstum ist nicht so schwach wie viele Menschen es erwartet hatten. Was ist Ihrer Meinung nach die Ursache dafür?
Jan van Eck: Nun, Frau Dagenhart, ich glaube, es ist für die Menschen wirklich schwer zu begreifen, wenn man bedenkt, dass wir sozusagen in unseren Häusern gefangen sind, aber die Weltwirtschaft hat sich wirklich stark entwickelt, und wir reden seit dem Sommer darüber. Was gilt es hier zu beobachten? Ich betrachte die globalen Geschäftsaktivitäten, PMIs. Wenn man sich Kupfer ansieht – Ölpreise sind in gewisser Weise manipuliert – so befinden sich die Kupferpreise nahe den Vierjahreshöchstständen und haben sich in den letzten Monaten weiter erholt. Und die Arbeitslosigkeit ist in den USA wirklich zurückgegangen, was ein sehr, sehr positives Zeichen ist.
Jan van Eck: Sehen Sie, in gewisser Weise ist es nicht überraschend, wenn man erstens den riesigen Megastimulus durch Fiskalausgaben und Zentralbankanreize, niedrigere Zinssätze, bedenkt. Und zweitens, die Tatsache, dass sich die Wirtschaft in den späteren Sommermonaten geöffnet hat. Ob sich das ändert oder nicht, ist natürlich eine andere Frage.
Jenna Dagenhart: Glauben Sie angesichts dieser Fortschritte in der Wirtschaft und auf den Märkten, dass wir in Zukunft einen stärkeren Aufwärtsdruck bei den Zinssätzen erleben werden?
Jan van Eck: Nun, ich glaube, im Hinblick auf 2021 lautet meine Stellungnahme derzeit: „Machen Sie sich auf eine Enttäuschung gefasst.” Es gibt momentan eigentlich nicht viele Themen, die zu Ihren Gunsten wirken. Das eine ist der Anreiz durch die Zentralbanken, die Zinsen längere Zeit niedriger zu halten, aber wenn das globale Wachstum – und das habe ich im August erwähnt – weiterhin stark bleibt, dann könnte das die langfristigen Zinssätze, diejenigen auf zehn Jahre, in die Höhe treiben. Nicht dramatisch, aber selbst wenn wir uns von den jetzigen 0,9% auf vielleicht 1,5% oder 2% zubewegen, werden das keine glücklichen Tage für die Finanzmärkte, d. h. die Aktien- und Anleihenmärkte, sein.
Jan van Eck: Es wird nicht sehr stark negativ sein, aber es wird auch nicht wirklich positiv sein. Also, ich glaube, wir haben mit diesen beiden Szenarien zu tun. Das eine ist eine Art von Goldlöckchen-Szenario, bei denen die Zinssätze längere Zeit niedriger sind und Anlagewerte weiterhin gut laufen. Doch im zweiten Szenario handelt es sich weniger um Goldlöckchen-Bedingungen, wenn das Wirtschaftswachstum bis 2021 etwas stärker ausfällt und die Zinssätze dadurch einen leichten Druck nach oben hin aufweisen. Und wie ich schon sagte, seien Sie darauf gefasst, enttäuscht zu werden.
Jenna Dagenhart: Wir gehen also nicht allzu optimistisch ins neue Jahr, aber wir werden vorbereitet sein. Und wenn die Realzinsen wirklich steigen, wie wirkt sich das auf Ihren Ausblick für Gold aus?
Jan van Eck: Nun, Gold hat wirklich von den Zinssätzen, den niedrigeren Realzinsen, profitiert, und wir konzentrieren uns auf den realen Teil. Die Nominalzinsen sind gesunken, aber weil die Inflation höher als diese 0,9% ist, sind die Realzinsen negativ, und das ist ein Traumszenario für Gold. Es ist nicht das hervorragende Szenario der 1970er Jahre, als die negativen Realzinsen -4% oder -5% betrugen, aber -1% ist immer noch gut. Aber wenn die Zinssätze anfangen zu steigen, ohne dass die Inflation mithält, dann wird das für Gold weniger gut sein.
Jan van Eck: Möglich ist, dass die Inflation mit einem schwächeren Dollar steigt. Wir ändern unsere allgemeine Hausseaussicht für Gold nicht, aber Sie haben es mit einer Warnflagge zu tun, wenn in diesem nicht unbedeutenden Szenario die längerfristigen Zinssätze steigen. Das Risiko besteht diesbezüglich nun darin, dass die Zinssätze im Jahr 2021 nicht steigen, das heißt, es könnte erst 2022 oder 2023 passieren. Aber wenn das Wirtschaftswachstum anhält, dann ist das ein Risiko, dessen sich die Anleger meiner Meinung nach bewusst sein müssen.
Jenna Dagenhart: Und wie sehen Sie die verschiedenen Sektoren angesichts dieses Potenzials für höhere Zinssätze sowie eines möglichen Anstiegs der Inflation? Die Finanzwerte, zum Beispiel, scheinen endlich einen Aufschwung zu erleben.
Jan van Eck: Das stimmt. Nun, die Leute lieben es, über Wachstum gegenüber Substanz zu sprechen, und ich bin mir nicht einmal mehr wirklich sicher, was mit Substanzanlagen überhaupt noch gemeint ist, weil ich denke, dass viele der Kennzahlen dafür, wie Kurs/Buchwert, völlig veraltet sind. Ich spreche daher gerne über Sektoren, und höhere Zinssätze wären definitiv gut für die Finanzwerte, die sozusagen Teil des Substanzhandels sind. Aber Finanzwerte sollten besser abschneiden, wenn die Zinssätze steigen. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, wie es ihnen noch schlechter gehen könnte.
Jan van Eck: Also noch einmal: Ich würde nicht mein ganzes Geld in Finanzwerte investieren, aber sie sollten besser laufen. Und wenn es der Weltwirtschaft besser geht, dann sollte natürlich auch ein gewisser Aufwärtsdruck auf die Ölpreise entstehen, was dem angeschlagenen Energiesektor helfen wird. Sehen Sie, beide Sektoren stehen vor einigen langfristigen Herausforderungen, aber insgesamt denke ich, dass sich Aktien behaupten dürften, allerdings bei einer ausgewogeneren Allokation.
Jan van Eck: Worüber wir im Sommer sprachen – Wachstum und Tesla – all diese Dinge waren einfach übertrieben. Und ich glaube, Sie haben miterlebt, wie sich der Aktienmarkt neu organisiert hat. Small Caps entwickeln sich besser. Substanzwerte sonnen sich derzeit etwas in der Anlegergunst. Das ist alles, was ich wirklich sage: Man sollte ein ausgewogenes Aktienengagement haben und nicht etwas, das so übertrieben wachstumsorientiert ist.
Jenna Dagenhart: Und schließlich: Wie sehen Sie die Wahl, und wie sollten Ihrer Meinung nach Anleger die Wahlergebnisse bewerten?
Jan van Eck: Nun, ich denke, wir wussten, dass die [U.S. Federal Reserve] (Fed) versuchen würde, die Zinssätze längere Zeit niedrig zu halten, und das dürfte sich kaum ändern. Ich denke, was die Fiskalpolitik betrifft, so scheint es, dass die Falken im Senat, die sich, wenn Sie so wollen, Sorgen machen, zu viel Geld auszugeben, die Fiskalausgaben unter Kontrolle halten werden, weshalb vor den Wahlen auch keine Einigung über die Ausgaben erzielt werden konnte. Wenn das also stimmt, dann dürfte die Fiskalpolitik enttäuschen. Und ich sage noch einmal: Seien Sie auf Enttäuschungen gefasst, da Sie nicht von dem Rückenwind profitieren werden, den wir Ende 2020 für die Börse hatten.
Jenna Dagenhart: Es war toll, dass Sie heute zu uns kommen konnten, Herr van Eck. Vielen Dank für das Gespräch.
Jan van Eck: Oh, es ist schön, hier zu sein. Es tut mir leid, dass mein Szenario nicht rosiger ausfällt, aber ich denke einfach, dass die Menschen ihre Erwartungen für 2021 senken müssen.
Jenna Dagenhart: Danke, dass Sie es für uns nicht beschönigen. Und vielen Dank fürs Zuschauen! Das war Jan van Eck, CEO von VanEck, und ich bin Jenna Dagenhart von Asset TV. Um regelmäßig Einblicke der Experten von VanEck zu erhalten, können Sie uns unter vanEck.com/ucits/subscribe abonnieren.
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