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Die Goldlöckchen-Risiken

29 April 2021

 

Unsere Art, über die Finanzmärkte nachdenken – zumal niemand die Zukunft mit Sicherheit kennt – besteht darin, mögliche Szenarien zu identifizieren. Letztes Jahr meinten wir, dass das rasante globale Wachstum die Zinssätze im Laufe des Jahres 2021 auf 1,5% bis 2,0% drücken würde. Dies geschah bereits im ersten Quartal! Was nun?

Szenario 1: Auf dem Weg zu einem Goldlöckchen-Markt

Das mit hoher Wahrscheinlichkeit einhergehende Mainstream-Szenario – „Goldlöckchen1“ – besteht darin, dass die Anstiege bei den Zinssätzen pausieren und die Aktienmärkte weiterhin neue Höchststände markieren. Untermauert wird diese Idee des starken, aber abklingenden Wachstums durch China – das erste große Land, das den COVID-19-Zyklus durchlaufen hat und wo sich der Boom nun wieder abschwächt.

Nach einer vorübergehenden Schwäche im Februar stieg der chinesische Purchasing Managers’ Index (PMI)für das verarbeitende Gewerbe im März stärker als erwartet auf 51,9 und der PMI für den Dienstleistungssektor stieg auf 56,3 (wie in etwa vor COVID). Unserer Ansicht nach bestätigt dies nur, dass die Erholung ausgewogener wird.

Chinas Erholung wird ausgewogener

Wichtige Indikatoren für die chinesische Konjunktur: PMIs

Quelle: Bloomberg. Stand der Daten: 31.03.2021. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist keine Garantie für künftige Ergebnisse. Die Grafik dient nur zu Illustrationszwecken.

Szenario 2: Überhitzung und steigende Zinssätze sorgen für eine länger anhaltende Inflation

Ein weiteres Szenario ist das Szenario der „Lohninflation“. Ich unterscheide gerne zwischen Rohstoffpreisinflation und Lohninflation. Die Rohstoffpreise haben sich seit dem letzten Sommer stark erholt, wobei fast alle Rohstoffpreise nun auf Mehrjahreshochs liegen. Meiner Meinung nach ist die Lohninflation für die Finanzmärkte wichtiger. Die Lohninflation ist der Treiber einer länger anhaltenden Inflation, kann schwer zu eliminieren sein und kann den Aktienmärkten schaden. Erinnert sich noch jemand an die Stagflation des verlorenen Jahrzehnts der 1970er-Jahre?

Das Ausmaß der 2020 erlebten Stimulierung durch die U.S. Federal Reserve war beispiellos – das Gleiche gilt auch für die von der neuen Biden-Regierung geplanten Ausgaben. Möglicherweise erleben wir gerade einen Paradigmenwechsel im Umfeld der Finanzmärkte und eine neue Dynamik im Vergleich zu den letzten zehn Jahren.

Anreize der Fed schüren Inflationserwartungen (fünf Jahre im Voraus)

Anreize und die Bereitwilligkeit der Fed schüren Inflationserwartungen (5 Jahre im Voraus)

Quelle: Bloomberg. Stand der Daten: Februar 2021. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist keine Garantie für künftige Ergebnisse. Die Inflationserwartungen werden hier anhand eines fünfjährigen USD-Inflationsswaps mit Nullkupon gemessen. Der Swap ist ein Derivat, das verwendet wird, um durch einen Austausch von Cashflows das Inflationsrisiko von einer Partei auf eine andere zu übertragen. Bei einem Inflationsswap mit Nullkupon erfolgt nur eine Zahlung bei Fälligkeit, wenn eine Partei einen festen Zinssatz auf einen fiktiven Kapitalbetrag zahlt, während die andere Partei einen variablen Zinssatz zahlt, der an einen Inflationsindex gebunden ist.

Noch einmal: Der Ausbruch der Rohstoffpreisinflation ist in diesem Lohninflationsszenario nicht das Problem. Vielmehr besteht die Sorge, dass die Folgen für Investitionen nicht nur bis 2021, sondern bis weit in das Jahr 2022 hinein andauern könnten. Es besteht also das Risiko, dass die Lohninflation, ausgelöst durch überhitztes Wachstum und steigende Zinssätze, anzieht. Schließlich hat die US-Wirtschaft seit den 1950er-Jahren keine derartigen Wachstumsraten des BIP mehr gesehen. Meine Investmentkollegen sind geteilter Meinung, ob eine Lohninflation in einer überstimulierten, aber deflationären Welt möglich ist. Das werden wir 2022 sehen.

Szenario 3: Bereiten Sie sich auf eine mögliche Zinsüberraschung vor

Das letzte Szenario besteht darin, dass die Zinssätze in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 unerwartet weiter ansteigen werden. Ich halte es sogar für möglich, dass die zehnjährigen US-Zinssätze bis Ende 2021 auf über 2,5% steigen können – Stichwort „Zinsüberraschung“. Die Anleger sollten dieses Szenario auf alle Fälle auf ihrem Schirm haben. Dies könnte zu Turbulenzen an den Finanzmärkten führen. Definitionsgemäß werden Anleihen weiter fallen. Ein allmählicher, wachstumsgetriebener Zinsanstieg wäre für Aktien in Ordnung, ein scharfer Anstieg hingegen möglicherweise nicht.

Als Goldlöckchen-Szenario wird in der Welt der Wirtschaft ein Umfeld bezeichnet, in dem weder die Konjunktur so schnell wächst, dass die Inflation angeheizt wird, noch das Wachstum so langsam verläuft, dass eine Rezession zu befürchten steht.

Der Purchasing Managers’ Index (PMI) ist ein Konjunkturindikator auf der Grundlage monatlicher Befragungen von Unternehmen im Privatsektor. Ein Wert über 50 deutet auf Wachstum hin, ein Wert unter 50 signalisiert eine Kontraktion.

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