Globale Verteidigungsindustrie: Ein Jahr des strategischen Wandels und des Wachstums
22 Oktober 2024
Im vergangenen Jahr hat die Rüstungsindustrie einen tiefgreifenden Wandel erfahren, bedingt durch wachsende geopolitische Spannungen, rasante technologische Fortschritte und steigende Militärausgaben. Während Staaten weltweit ihre Verteidigungsstrategien neu ausrichten, gewinnt der Sektor zunehmend an Bedeutung für Investoren, die langfristige Wachstumschancen suchen. In diesem Artikel beleuchten wir die aktuellen Entwicklungen in der Verteidigungsindustrie, die sich verändernden Prioritäten sowie die treibenden Kräfte, die ihre Zukunft maßgeblich prägen.
Weltweite Militärbudgets: Verschiebung hin zu langfristigen Verteidigungsinvestitionen
Die weltweiten Militärausgaben haben 2021 erstmals die Schwelle von 2 Bio. USD überschritten und steigen weiter.1 Dieser Anstieg markiert eine deutliche Verschiebung der staatlichen Prioritäten zugunsten der Verteidigungsausgaben. Während in den vergangenen Jahrzehnten viele Länder dafür kritisiert wurden, zu wenig in ihre Verteidigung zu investieren, deuten die aktuellen Entwicklungen darauf hin, dass dieser Trend zu höheren Militärausgaben langfristig anhalten wird.
In einer Rede auf der „London Defence Conference 2024“ schloss sich der ehemalige britische Verteidigungsminister Grant Shapps den Ausführungen von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg an, der den Übergang von einer „Nachkriegs-“ zu einer „Vorkriegswelt“ beschrieb. Shapps betonte das Ende der Ära der „Friedensdividende“ nach dem Kalten Krieg und machte deutlich, dass die zunehmenden geopolitischen Spannungen, hervorgerufen durch Bedrohungen aus Ländern wie Russland, China, Iran und Nordkorea, einen neuen Ansatz bei den Verteidigungsausgaben erforderten. Er appellierte an die NATO-Mitglieder, ihre Militärbudgets zu erhöhen, um sich auf eine Ära vorzubereiten, in der Konflikte immer wahrscheinlicher werden. Shapps hob auch die Erweiterung der NATO, insbesondere den Beitritt Finnlands und Schwedens, sowie die wichtige Rolle Großbritanniens bei den bevorstehenden NATO-Übungen als Zeichen der Vorbereitung auf mögliche künftige Konflikte hervor. Er unterstrich die zentrale Bedeutung der kollektiven Abschreckung und die Notwendigkeit sicherzustellen, dass die westlichen Nationen für die kommenden Herausforderungen gerüstet sind.2
Länder wie die USA, China, Russland und Indien haben ihre Verteidigungsausgaben deutlich erhöht, um ihre militärischen Fähigkeiten zu stärken. Deutschland beispielsweise plant, seine Verteidigungsausgaben auf 3,5% des BIP zu erhöhen – ein bedeutender Schritt für ein Land, das traditionell der Wirtschaft Vorrang vor militärischer Stärke eingeräumt hat.3 Auch Russlands Militärhaushalt wird trotz der Wirtschaftssanktionen aufgrund der anhaltenden militärischen Operationen und strategischen Erfordernisse 2024 voraussichtlich auf 140 Mrd. USD ansteigen.4
Aktueller Branchenausblick: Wachsende Nachfrage nach hochmoderner Militärtechnologie
Das Wachstum des Verteidigungssektors wird nicht nur durch steigende Budgets vorangetrieben, sondern auch durch die wachsende Nachfrage nach fortschrittlichen und modernisierten Militärtechnologien. Die rasche Entwicklung neuer Kriegstaktiken und Bedrohungsszenarien führt dazu, dass Staaten verstärkt in Technologien wie unbemannte Luftfahrzeuge, künstliche Intelligenz (KI), Cybersicherheitslösungen und weltraumgestützte Verteidigungssysteme investieren.
Insbesondere die künstliche Intelligenz revolutioniert das Verteidigungswesen. Streitkräfte setzen zunehmend auf KI-gestützte Systeme für autonome Operationen, präzisere Überwachung und optimierte Entscheidungsprozesse.5Gleichzeitig rückt die Weltraumtechnologie immer stärker in den Fokus, da Staaten und Unternehmen zunehmend auf weltraumgestützte Infrastrukturen setzen, die eine Schlüsselrolle für Kommunikation, Aufklärung und Raketenabwehr spielen.
Regierungen arbeiten heute aktiv mit privaten Unternehmen zusammen, um militärische Technologien aus der Forschungs- und Entwicklungsphase in den operativen Einsatz zu überführen. Dieser Technologietransfer beschleunigt die Umsetzung neuer Innovationen im Verteidigungsbereich und ermöglicht es den Streitkräften, schneller und effektiver auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren.
Strategische Prioritäten: Der Übergang zu Multi-Domain-Operationen
Verteidigungsstrategien entwickeln sich zunehmend in Richtung Multi-Domain-Operationen (MDO) – ein Ansatz, der Land-, See-, Luft-, Weltraum- und Cyberfähigkeiten integriert. Diese umfassende Strategie ermöglicht es den Streitkräften, ihre Operationen effizienter zu koordinieren und schnell auf dynamische Bedrohungen zu reagieren, die in verschiedenen Bereichen entstehen.
Angesichts der zunehmenden Bedeutung hybrider Kriegsführung – einschließlich Cyberangriffen, Desinformationskampagnen und irregulärer Kampfformen – bieten MDO einen integrierten Rahmen zur Verteidigung. Die Streitkräfte setzen zunehmend auf die enge Verzahnung verschiedener Domänen, um strategische Vorteile gegenüber ihren Gegnern zu wahren.
Die Fähigkeit, mehrere Einsatzgebiete gleichzeitig zu beherrschen, wird für moderne Streitkräfte immer wichtiger. Unternehmen, die Lösungen zur Unterstützung von Multi-Domain-Fähigkeiten anbieten, dürften in den kommenden Jahren eine steigende Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen verzeichnen.
Technologietransfer: Die Lücke zwischen Innovation und Anwendung schließen
Eine der zentralen Herausforderungen der Rüstungsindustrie ist die Beschleunigung des Technologietransfers vom Labor auf das Gefechtsfeld. Die schnelle Bereitstellung modernster Technologien hat höchste Priorität, denn die Nationen wollen im globalen Rüstungswettlauf die Nase vorn haben. Die Einführung autonomer Systeme – darunter unbemannte Luftfahrzeuge, unbemannte Landfahrzeuge und autonome Marineschiffe – revolutioniert den Verteidigungssektor, indem sie die Fähigkeit des Militärs verbessert, Operationen aus der Ferne effizient durchzuführen.
Ein weiterer wichtiger Bereich für Technologieinvestitionen ist die Cybersicherheit. Angesichts der zunehmenden Digitalisierung militärischer Operationen und der Kommunikation ist der Schutz von Netzwerken, Systemen und Daten vor Cyberbedrohungen unerlässlich geworden. Die Integration von KI-gestützten Cybersicherheitslösungen ermöglicht es den Streitkräften, sich gegen immer raffiniertere Cyberangriffe zu verteidigen.
Darüber hinaus beschleunigt sich der Trend zur Automatisierung und Autonomie in Verteidigungssystemen. So werden beispielsweise autonome Drohnen nicht nur zur Überwachung, sondern auch zur Kampf- und Logistikunterstützung eingesetzt, wodurch der Einsatz von Menschen und die damit verbundenen Risiken auf dem Schlachtfeld erheblich reduziert werden.
Entwicklung der ESG-Aspekte im Verteidigungssektor
Auch die Verteidigungsindustrie kann sich dem wachsenden Einfluss von Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten (ESG) nicht entziehen. Während sie lange Zeit als eine von Nachhaltigkeitsaspekten losgelöste Branche galt, erkennt der Sektor zunehmend die Bedeutung der Integration von ESG-Faktoren in seine Geschäftspraktiken.
Rob Bauer, Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, betonte die entscheidende Rolle des Verteidigungssektors bei der Schaffung der gesellschaftlichen Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung. Er machte deutlich, dass ohne eine sichere und stabile Gesellschaft langfristige ESG-Ziele unerreichbar bleiben. Bauer appellierte sogar an Pensionsfonds, in Rüstungsunternehmen zu investieren und bezeichnete Sicherheit als Grundvoraussetzung für Nachhaltigkeit. Seine Argumentation zeigt, dass verantwortungsvolle Investitionen in die Verteidigung mit dem Schutz der Grundlagen der Gesellschaft in Einklang gebracht werden können.6
Einige Rüstungsunternehmen bemühen sich derzeit, den ökologischen Fußabdruck ihrer Produktionsprozesse durch den Einsatz sauberer Technologien und die Optimierung des Energieverbrauchs zu verringern. Diese Maßnahmen gewinnen an Bedeutung, da Regierungen und institutionelle Anleger ESG-konformen Investitionen zunehmend Priorität einräumen.
Zudem rückt die ethische Nutzung fortschrittlicher Technologien wie der künstlichen Intelligenz in den Fokus der Verteidigungsindustrie. Es wird verstärkt darüber diskutiert, wie sichergestellt werden kann, dass diese Technologien im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht und dem Schutz der Menschenrechte entwickelt und eingesetzt werden. Während das Militär autonome Systeme einführt, sieht sich die Industrie auch mit der gesellschaftlichen Verantwortung konfrontiert, Kollateralschäden zu minimieren und Verantwortlichkeit in der Kriegsführung zu gewährleisten.
Für Investoren bieten Rüstungsunternehmen, die ESG-Prinzipien erfolgreich integrieren, einzigartige Wachstumschancen, da nationale Sicherheit und soziale Verantwortung in der heutigen geopolitischen Dynamik zunehmend miteinander verknüpft sind.
Globale Trends: Ein vielfältiges Spektrum von Verteidigungsmärkten
Verteidigung ist längst nicht mehr die exklusive Domäne einiger weniger Supermächte. Während die Vereinigten Staaten nach wie vor die höchsten Verteidigungsausgaben haben und führend in der technologischen Innovation sind, treten zunehmend andere Nationen als wichtige Akteure in diesem Sektor auf. Der Aufschwung der Rüstungsindustrie in Europa, Asien und dem Nahen Osten eröffnet neue Möglichkeiten für globale Kooperation und Wettbewerb.
Länder wie das Vereinigte Königreich, Frankreich, Israel, Südkorea und Indien investieren erhebliche Mittel in Verteidigungsinnovationen und tragen so zu einem breiteren und diversifizierteren globalen Verteidigungsmarkt bei. Die Entwicklung fortschrittlicher Verteidigungstechnologien – von Raketensystemen über Cybersicherheitslösungen bis hin zur Weltraumverteidigung – ermöglicht es diesen Ländern, robuste Verteidigungskapazitäten aufzubauen, die die traditionellen Militärmächte nicht nur ergänzen, sondern in einigen Fällen auch herausfordern.7
Entwicklung und Zukunftsaussichten
Die Verteidigungsindustrie hat in den letzten Jahren ein bemerkenswertes Wachstum verzeichnet, das durch steigende Staatsausgaben und technologischen Fortschritt angetrieben wurde. Obwohl der Sektor traditionell als defensiv gilt, zeigen aktuelle Trends, dass die Rüstungsindustrie auch erhebliche Wachstums- und Innovationschancen bietet.
Anleger, die sich in diesem Sektor engagieren möchten, können von den langfristigen Perspektiven profitieren, die sich aus den weltweit steigenden Militärausgaben, der Einführung fortschrittlicher Technologien und der wachsenden Nachfrage nach militärischer Modernisierung ergeben. Angesichts der geopolitischen Spannungen, die weiterhin die globalen Prioritäten prägen, werden Rüstungsunternehmen, die innovative Lösungen anbieten und sich an die sich wandelnden militärischen Anforderungen anpassen, am besten positioniert sein, um erfolgreich zu sein.
Das künftige Wachstum der Verteidigungsindustrie wird auch stark von den Entwicklungen in den Bereichen künstliche Intelligenz, Weltraum und Cybersicherheit beeinflusst werden. Mit dem Fortschritt dieser Technologien werden Verteidigungsunternehmen eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung der Zukunft der Kriegsführung, der nationalen Sicherheit und der globalen Stabilität spielen.
Fazit: Verteidigung in einer Welt im Wandel
Die Verteidigungsindustrie befindet sich an einem entscheidenden Wendepunkt, der durch die Eskalation geopolitischer Spannungen und die zunehmende Relevanz fortschrittlicher Technologien gekennzeichnet ist. Regierungen auf der ganzen Welt erhöhen ihre Verteidigungsausgaben, um auf neue Bedrohungen zu reagieren, und investieren gleichzeitig in zukünftige militärische Fähigkeiten durch Innovationen in den Bereichen künstliche Intelligenz, Weltraumtechnologie und Cybersicherheit.
In diesem dynamischen Umfeld wird der Verteidigungssektor weiterhin eine Schlüsselrolle für die globale Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität spielen. Während die Länder den Schwerpunkt auf Multi-Domain-Operationen und technologischen Fortschritt legen, sind die Unternehmen der Verteidigungsindustrie einzigartig positioniert, um von diesen Trends zu profitieren. Die zunehmende Verschmelzung von Verteidigung und Technologie wird die Zukunft entscheidend beeinflussen und denjenigen, die sich in diesem komplexen und dynamischen Sektor zurechtfinden, bedeutende Wachstumschancen bieten.
1 Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI), „World Military Expenditure Passes $2 Trillion for First Time“, April 2022.
2 Britische Regierung, „Grant Shapps Speech at London Defence Conference 2024“, Februar 2024.
3 Bloomberg, „Germany Says Its Defence Spending Could Increase to 3.5% of GDP“, Februar 2024.
4 Anadolu Agency, „Russia’s Military Spending in 2024 Estimated at $140B“, Februar 2024.
5 Center for Technology and National Security, „Strategic Vision for Critical Technology Areas“, November 2023.
6 NATO, „NATO's Military Committee Chairman Rob Bauer Discusses Defence and Security“, November 2023.
7 Statista, „Military Expenditure by Country and its Share of GDP“, 2023.
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